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Das Regenmädchen

Was kann es schlimmeres für einen Autofahrer geben, als wenn plötzlich, bei hoher Geschwindigkeit, bei der die Reaktionszeit eine enorme Rolle spielt, eine Person mitten auf der Fahrbahn auftaucht und man eben doch nicht schnell genug ist. So schnell kann sich das Leben zweier Personen ändern. Das Leben der Frau, das so schnell, auf so schreckliche Weise beendet wurde und das Leben des Mannes, des Autofahrers, der an dem Unfall an sich zwar keine Schuld trägt, aber diesen Tag niemals vergessen wird.
Doch was auf den ersten Blick nach einem mehr als unglücklichen Verkehrsunfall aussieht, verbirgt viel mehr als das. Wer die Tote ist und was sich kurz vor dem Unfall ereignet hat, gilt es für die Ermittler Franza Oberwieser und Felix Herz herauszufinden.

Gabi Kreslehner weiß wie sie den Leser bei der Stange hält. Nicht aber, wie es so für einen Krimi typisch ist, durch einen besonders kniffligen Fall und einem geschickten Täter, dem nur durch eine spannend zu verfolgende Ermittlungsarbeit auf die Schliche zu kommen ist. Und auch erst recht nicht mit grausam zugerichteten Leichen, dass dem Leser fassungslos der Mund offen steht, oder etwa literweises Blutvergießen, das uns eine Gänsehaut verschafft, oder die detaillierten Beschreibungen des Mordes selbst und die perfiden Gedanken eines abgründigen Killers, die uns dazu bringen, noch einmal nachsehen zu gehen, ob auch ja alle Türen verschlossen sind und ob sich nicht doch jemand unter unserem Bett versteckt haben könnte. Nein, all das hat Frau Kreslehner nicht nötig, denn sie fesselt uns auf eine ganz andere Art und Weise, mit ihrem Schreibstil selbst und ihrer Art, die Dinge auf eine ganz wundervolle Weise zu beschreiben.
Ihr Schreibstil ist wirklich einzigartig. Mit kurzen, fast schon stichwortartigen Sätzen beschreibt sie die jeweiligen Situationen völlig ausreichend, ohne unnötige Details und  realistisch, vor allem was die Wiedergabe der Gedanken angeht, denn wer selbst denkt schon in langen, verschachtelten Sätzen. Außerdem hat das Ganze einerseits etwas ‘Leichtes’ an sich. Als würde man die Geschehnisse durch einen leichten Nebelschleier betrachten. Auf ganz sanfte Art beschreibt sie so zum Beispiel den Tod des Mädchens. Er hat fast schon etwas Schönes an sich, als wäre dieser eine Erlösung und danach folgt etwas Besseres. Andererseits herrscht auch eine drückende Atmosphäre, sowohl durch den traurigen Unfall des Mädchens, als auch die verkorksten Lebensgeschichten der anderen Personen. Und gerade das macht ihren Schreibstil so besonders, dass sie es schafft, eine sowohl positive als auch negative angehauchte Stimmung zu schaffen, die den Leser völlig mit sich reißt.

“Die Sonne flirrte durch die prachtvollen Kronen, zitternd flatterten Schatten auf dem Teer, als hätten Oleanderblätter Flügel, als flögen sie hinein in die lichte Weite des Universums.”

Und noch etwas macht dieses Buch zu einem besonderen Krimi. Denn obwohl man das Gefühl hat, die Personen, die vom Unfall bzw. vom Tod des Mädchens betroffen sind, durch die Ermittlungen selbst besser kennenzulernen, durch die Befragung von Zeugen, von Angehörigen, geschieht dies doch manchmal auf ganz andere Art und Weise, jedoch nimmt man diese eher unbewusst als Leser auf. Während solcher Befragungen gibt es nämlich immer wieder einspringende Gedankengänge, Erinnerungsfetzen, die zwar einerseits die zuvor gestellte Frage beantworten, andererseits jedoch den Leser an einen völlig anderen, neuen Ort, in eine andere Zeit zu bringen scheinen, und eine Geschichte für sich erzählen.
Dieses Buch ist nicht nur ein Krimi, sondern auch eine Geschichte über das Leben, das Leben mehrerer, völlig unterschiedlicher Personen, mit all ihren Ecken und Kanten.

Die verschiedenen Charaktere sind mit ihren Ecken und Kanten realistisch beschrieben, und vor allem handeln sie nachvollziehbar, so dass es dem Leser nicht schwer fällt, sich in die Personen hineinzuversetzen und sich durch die so geschaffene Nähe zu den Charakteren der Geschichte nahe zu fühlen, bzw. den Eindruck zu haben, man wäre mitten im Geschehen dabei.

Aber natürlich fehlt es auch hier nicht an Spannung, schließlich gibt es immer noch einem Täter auf die Spur zu kommen, auch wenn der Tathergang schon anfangs zu vermuten ist. Was jedoch genau dahintersteckt, wie es zu der Tragödie gekommen ist, diese Dinge locken den Leser weiter in die Geschichte des Mädchens und der Aufdeckung des Rätsels.
Dabei spielen vor allem Teile eine Rolle, die anfangs völlig unzusammenhängend scheinen, nicht so recht in die Geschichte passend, und doch ergeben sie mit der Zeit einen Sinn und lassen den weiteren Verlauf vermuten, verursachen so jedoch auch ein prickelndes, irgendwie unangenehmes Gefühl, denn so recht möchte man nicht, dass genau diese Vermutungen wahr werden.

Zwar wird dem Leser durch einige Andeutungen schon vor dem Ende klar, um wen es sich bei dem Täter handelt, jedoch bleibt das Motiv das hinter den Taten steckt weiterhin verborgen und erhält somit die Spannung. Nach und nach kommt man bis hin zum Ende dem großes Geheimnis schließlich auf die Spur und muss erstaunt feststellen, wie sehr einige Geschehnisse der Vergangenheit die Zukunft beeinflussen können, obwohl sie in keinerlei Zusammenhang zu stehen schienen.

Ein wirklich durchgehend überzeugender und spannender Krimi-Erstling. Ich hoffe sehr auf ein weiteres Werk dieser Autorin, die mich mit ihrem wunderbaren Schreibstil voll und ganz von sich überzeugt hat.

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  • Was ich mir durchgelesen habe ist dein Fazit…
    Von der Leseprobe war ich schon begeistert und so habe ich mir noch zum Ende des Jahres, dieses schöne Buch gekauft.
    Für 2011 wünsche ich dir alles erdenklich Gute!
    LG, Tanja

  • Martinas Welt

    Oh, oh…das hört sich gut an! Das muss auf meine Wunschliste!!!
    Martina

Jan 02, 2011